Der Geist wird von sechs Eigenschaften beeinflusst: Eine davon ist Kama, Lust und Begierde. Wir alle kennen Begierde. Dann Krodha, Aggression oder Wut; Lobha, Gier; Moha, Verblendung – wir alle haben sie, genauso wie Mada, Ego oder Stolz und Matsarya, Eifersucht. Diese sechs Eigenschaften definieren das Verhalten des Geistes in unser aller Leben. Die Menschen reden von Anspannung, Stress und Ängsten und versuchen damit klar zu kommen. Sie beschäftigen sich jedoch nicht mit den Ursachen, die den Anspannungen, dem Stress und den Ängsten zugrundeliegen.

Dieses Szenario ist aus der Schulmedizin bekannt: Wenn Menschen unter Bluthochdruck leiden, werden Tabletten eingenommen, um den Blutdruck zu senken. Die Ursache des Bluthochdrucks wird dabei jedoch nicht behandelt. Gegen Diabetes werden Tabletten oder Insulinspritzen verabreicht, um das Insulin im Körper zu erhöhen. Es wird jedoch nichts unternommen, um das Ungleichgewicht im Körper zu beseitigen, so dass dieser Insulin wieder selbst produzieren kann. An diesem Punkt ist Yoga am wirksamsten, da es dem Körper ermöglicht, wieder gesund zu werden.

Das gleiche Prinzip lässt sich auf den Geist übertragen. Wenn wir von Stress oder Anspannung sprechen, wo liegt denn die Ursache dafür begraben? Wenn unsere sehnlichsten Wünsche unerfüllt bleiben, ist dies eine Ursache für Stress. Wir verbinden Stress entweder mit der Arbeit, der Familie, dem sozialen Umfeld oder der sozialen Situation, in der wir uns befinden. Es handelt sich hierbei jedoch nur um die Trigger, welche diese Eigenschaften des Geistes hervorbringen.

Unzufriedenheit entsteht, wenn unsere Wünsche oder Erwartungen nicht erfüllt werden und dies erzeugt Stress. Unzufriedenheit entsteht, wenn wir nicht in der Lage sind, mit unseren Aggressionen umzugehen und das wiederum wird zur Ursache für Ängste und Anspannungen. Wenn wir uns also die Frage nach der Ursache von Stress und Anspannung stellen, so entdecken wir, dass diese ihren Ursprung in einer der sechs Tendenzen unseres Geistes haben.

Wenn wir Erwachsenen oder Kindern Yoga unterrichten, beschränken wir uns nicht einzig auf die physische Ebene. Der Unterricht ermöglicht ihnen auch Selbstbeobachtung und erlaubt ihnen, ihre unkontrollierten und ungelenken Reaktionen und Erwiderungen besser zu bewältigen. Sobald sie diese Erfahrung machen, erleben sie die Befreiung von der direkten Wirkung und dem direkten Einfluss dieser mentalen Verhaltensweisen und entdecken ihren eigenen Frieden und ihre kreativen Kräfte.

Es ist nicht die Körperhaltung, welche das Wesen des Menschen verändert; es ist nicht die mentale Übung, welche die Natur eines Menschen verändert. Es ist das Gewahrwerden gegenüber unserer Umwelt und gegenüber unseren Verhaltensweisen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Die Essenz des Yoga liegt darin, dem Menschen die Fähigkeit zu verleihen, auf adäquate, harmonische, konstruktive und positive Art und Weise zu handeln, selbst unter destruktiven und negativen Umständen.

Swami Niranjan

06. Juni 20014, Kathmandu, Nepal

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