Ich liebe sie – meine Massagen. Doch besonders liebe ich die Fußreflexzonenmassage. Es ist jedes Mal ein Wunder, was die Füße zu erzählen wissen.
Sie tragen nicht nur den Körper, sie tragen Erinnerungen, vergrabene Geschichten, unausgesprochene Tränen, ungesehene Stärke.
Wenn ich die Fersen in meine Hände nehme, öffnet sich ein Raum – ohne Worte. Ein Raum voller Vertrauen. Die Tür zum Körper geht auf,
und das Herz beginnt zu sprechen.
Besonders die Älteren sind oft tief berührt. Manche weinen. Manche erzählen. Und ich lausche. Ich halte ihre Geschichten in meinen Händen.
Und etwas in mir beginnt zu schwingen. Eine Resonanz – jenseits von Zeit.
Da ist die 85-Jährige, die sich plötzlich erinnert. Wie die Geschwister sich um die Mutter scharten. Wie jeden Abend Schritte die Treppe heraufkamen. Oft begleitet dieser Besuch der Geruch von Alkohol. Manchmal brachten die Männer Schokolade. Manchmal Angst. Und keiner verstand, warum.
Es sind Geschichten mit Folgen. Sie zeigen, wie wir Männer sehen. Welche Ängste in uns schlummern. Und wie viel Urkraft in Frauen erwacht, wenn es um den Schutz ihrer Kinder geht.
Diese Frauen – die Kriegskinder, die Trümmerfrauen, die Mütter, Großmütter, Urgroßmütter –
sie klagen nicht.
Sie tragen.
Sie trösten.
Sie bauen auf.
Sie halten aus.
Und sie schweigen.
Doch dieses Schweigen hat eine Stimme. Es lebt in uns weiter. In unseren Zellen, in unserem Nervensystem, in unseren Träumen, in unseren Blockaden, in unserer Sehnsucht nach Würde,
nach Anerkennung, nach Erlösung.
Jetzt ist die Zeit, hinzuschauen. Nicht länger zu ignorieren, was war. Denn in diesen verdrängten Geschichten liegt unser größtes Potenzial. Unsere Kraft. Unsere Fähigkeit zur Umsetzung.
Unsere wahre Identität.
Es ist Zeit, diese Erinnerungen zu ehren. Sie aus dem Schatten zu holen. Sie zu entlasten. Sie freizulassen. Denn dort, wo Schmerz war, will heute Leben fließen. Und dort, wo Tränen geflossen sind,
kann heute Licht geboren werden.
Die Füße erzählen uns alles. Wenn wir bereit sind, hinzuhören. Und wenn wir den Mut haben, uns wieder mit dem zu verbinden, was einst getrennt wurde: uns selbst.