Es gibt Zeiten, da schreit der Körper – und wir verstehen lange nicht, was er sagen will.

Letztes Jahr hatte ich Schmerzen in meinen Oberschenkeln, die ich mir nicht erklären konnte. Ich konnte nicht mehr richtig sitzen, nicht liegen, nicht laufen. Yoga, was mein Rückzugsort war und immer noch ist, wurde unmöglich. Ich hatte das Gefühl, als wäre mein Körper nicht mehr meiner. Und ehrlich gesagt: Ich hatte Angst. Angst, dass ich nie wieder zurückkomme in meine Kraft. Dass ich den Zugang zu meinem Körper verliere. Yoga, Bewegung, selbst ruhiges Liegen – alles wurde zur Qual. Nichts schien zu helfen. Keine Erklärung, keine Diagnose, keine schnelle Lösung. Ich fühlte mich hilflos, ausgeliefert, abgeschnitten von mir selbst. Und vor allem: machtlos.

Erst viel später wurde mir bewusst, dass sich in meinen Oberschenkeln etwas angesammelt hatte. Nicht auf körperlicher Ebene im klassischen Sinn, sondern emotional. Der Schmerz war ein Speicherort. Eine Art stiller Behälter, in den ich über Jahre hinweg das gelegt hatte, wofür ich keinen Raum hatte. Situationen, in denen ich nicht wütend sein durfte. Momente, in denen ich mich selbst zurückgenommen habe, um dazuzugehören oder zu funktionieren. Er war der Ausdruck von etwas Tieferem – von all der Wut, der Frustration, der Ohnmacht, die ich über Jahre hinweg in mir getragen hatte. Nicht gezeigt. Nicht ausgesprochen. Nur weggeschoben. Und mein Körper? Der hatte sie für mich aufbewahrt. Still. Geduldig. Und irgendwann eben auch schmerzhaft.

Und dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr kämpfen konnte. Ich konnte nicht mehr „wegmachen“. Ich musste es fühlen. Ich erinnere mich an den Moment, an dem ich meine Hände auf die schmerzenden Oberschenkel gelegt habe und einfach nur gesagt habe: „Okay. Ich höre dich. Ich bin da.“ Da war kein Trick. Kein Lösungsversuch. Nur Präsenz. Und Stück für Stück konnte ich verstehen: Nicht ich musste loslassen. Der Schmerz ließ mich los, als ich bereit war, ihn anzunehmen.

Diese Erkenntnis war schmerzhaft – aber heilsam. Denn ich erkannte: Wut ist keine Schwäche. Sie ist eine Energie, die gesehen und gespürt werden will. Wenn sie keinen Ausdruck bekommt, sucht sie sich ihren Weg – oft über unseren Körper. Es war einer der größten Wendepunkte meiner inneren Reise. Nicht, weil er angenehm war. Sondern weil ich dadurch begriffen habe, wie sehr mein Körper mich liebt. Er spricht. Immer. Aber ich hatte oft nicht hingehört.

Körperübung: Wut begegnen im Körper

Diese Übung hilft dir, deiner angestauten Wut Raum zu geben – ohne Drama, aber mit Klarheit.
1. Stehe stabil auf beiden Füßen, hüftbreit geöffnet.
2. Spüre deinen Untergrund – deine Beine, dein Becken.
3. Dann atme tief ein – und beim Ausatmen stampfe einmal bewusst mit einem Fuß auf den Boden. Nicht aggressiv, sondern bestimmt.
4. Wiederhole das 6-10 Mal im Wechsel (rechts/links), während du innerlich sagst:
„Ich bin hier. Ich darf fühlen.“
5. Spüre nach. Vielleicht steigt Wärme auf, vielleicht ein Kloß, vielleicht Tränen oder Wut.
6. Lege die Hände auf deine Oberschenkel und atme dort hinein.

Diese Übung kannst du jeden Tag machen – 2 Minuten reichen. Sie wirkt wie ein Türöffner in dein Inneres.