Ich erinnere mich an eine Nacht auf See, die alles veränderte.
Wir wollten längst weitergezogen sein – doch irgendetwas hielt uns auf.
Das perfekte Wetterfenster war verstrichen, das Meer zeigte uns nun sein anderes Gesicht.
Drei Tage lagen vor uns. Eine der längsten Passagen in der Karibik.
Der Vollmond war schon fast vergangen, als wir endlich ablegten.
Der Wind hatte gedreht – Wind gegen Welle.
Wir segelten in die Nacht, als würde das Meer selbst uns warnen wollen.
Dann geschah alles in Sekunden:
Der Öldruck stimmte nicht mehr.
Der Autopilot versagte – die Kette war gerissen.
Dann der Generator: Totalausfall.
Wir waren manövrierunfähig, trieben hilflos auf offener See.
Im Inneren des Schiffs – Chaos. Wie nach einem Bombeneinschlag.
Und doch: keine Panik.
Die Kinder schliefen.
Und wir? Wir funktionierten. Seite an Seite. Wortlos.
Keine Schuldzuweisungen. Keine Vorwürfe. Nur Vertrauen.
Tiefe Stille. Koordination. Präsenz.
Dieses Vertrauen war wie ein unsichtbares Netz, das uns hielt.
Es war kraftvoll. Es war echt. Und es war – ein Geschenk.
Doch dann kam der Moment der Entscheidung.
Der Moment, in dem klar wurde: Wir schaffen es nicht in den geplanten Port of Call.
Etwas in uns wusste: Wenn wir diesen Kurs weitergehen, riskieren wir alles.
Also änderten wir den Kurs.
Spontan. Ungeplant. Unerlaubt.
Am unteren Ende der Insel legten wir an – illegal, auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen.
Und sie halfen. Ohne Fragen. Ohne Bedingungen.
Wie eine unsichtbare Hand, die sagt: Du bist richtig. Auch wenn du vom Plan abweichst.
Diese Erfahrung wurde zu einer Metapher meines Lebens.
Manchmal ist es nicht die ursprüngliche Route, die uns rettet.
Manchmal ist es der mutige Kurswechsel.
Heute spüre ich genau das wieder.
Ich stehe an einem Punkt, an dem ich – trotz tiefer Verbindung und gemeinsam gemeisterter Stürme – loslassen muss.
Weil der Kurs, den wir bisher gemeinsam gegangen sind, nicht mehr trägt.
Weil meine Seele aufschreit, wenn ich ihn weitersegle.
Und so sage ich jetzt Ja zu mir.
Nicht aus Trotz. Nicht aus Angst.
Sondern aus Liebe.
Weil ich Grenzen setzen muss, um mich selbst nicht zu verlieren.
Weil ich es mir selbst schuldig bin, den Kurs zu wechseln – auch wenn es schmerzt.
Manchmal führt uns der Schmerz zur Wahrheit.
Und dann – wenn wir bereit sind, ihn zu fühlen –
öffnet er uns die Tür zu unserer wahren Stärke.
Dann beginnt das Erwachen.