Manchmal kommt Wut wie ein Sturm, ohne Vorwarnung. Sie brennt in der Brust, kribbelt in den Armen, will sich bewegen, laut werden. Und oft erschrecken wir davor – weil wir gelernt haben, dass Wut gefährlich ist, dass sie etwas zerstört.

Aber Wut ist keine Zerstörung. Sie ist Erinnerung. Der Körper erinnert sich an Momente, in denen er sich nicht schützen konnte. An Grenzen, die übergangen wurden. An Worte, die nie gesagt werden durften.

Wenn du heute Wut fühlst, dann vielleicht, weil dein Nervensystem endlich sicher genug ist, um sie zuzulassen. Weil etwas in dir wieder Leben spürt. Wut ist Bewegung. Sie will dich in Kontakt bringen – mit deiner Kraft, deiner Wahrheit, deiner Klarheit. Und sie darf sich wandeln: von Hitze zu Präsenz, von Anspannung zu Erdung, von Kampf zu Lebendigkeit.

„Wenn Wut auftaucht, ist das kein Rückschritt – es ist ein Zeichen dafür, dass dein Körper beginnt, sich zu erinnern.“

Vielleicht hast du es in letzter Zeit gespürt – eine plötzliche Hitze im Körper, ein Druck im Brustkorb, ein inneres „Es reicht“.

Das ist keine Schwäche. Das ist deine Lebensenergie, die sich bewegt. Alte Anspannung, die Raum sucht. Gefühle, die du einst halten musstest, dürfen jetzt durch dich hindurchfließen.

Wenn der Körper sich erinnert, braucht es keinen Widerstand – sondern Atmung, Erdung, Bewegung. Du darfst dich sicher fühlen, auch in der Wut.

Diese Woche begleite ich dich darin, Wut als Sprache deines Nervensystems zu verstehen – nicht als Feind, sondern als Wegweiser zu dir selbst.

Wenn der Körper sich erinnert – und die Wut sprechen will. Eine Einladung, der Lebenskraft zu lauschen, die unter der Wut liegt.

 

Drei Achtsamkeitsübungen für unerwartete Wut

1. Die Erdungsübung – Halt finden in der Hitze

Wenn du spürst, dass Wut aufsteigt – geh mit beiden Füßen bewusst auf den Boden. Spür das Gewicht deines Körpers. Den Kontakt zur Erde. Atme tief ein, bis in deine Fußsohlen. Atme aus, durch den ganzen Körper hindurch, als würdest du Wurzeln schlagen. Sag innerlich: „Ich bin hier. Ich bin sicher. Ich halte mich.“ Lass die Hitze sich nach unten verteilen – weg vom Kopf, hinein in die Erde. Hier findet dein Nervensystem wieder Halt, während die Energie bleiben darf.

2. Die Atemübung – Bewegung zulassen

Leg eine Hand auf deinen Bauch, eine auf dein Herz. Spür, wie sich dein Atem bewegt. Atme durch leicht geöffneten Mund ein – so, als würdest du Dampf ablassen. Beim Ausatmen mach ein leises Geräusch, ein „Haaa“ oder „Fffff“, um der Spannung einen Kanal zu geben. Wenn du magst, bewege dabei deinen Oberkörper, roll die Schultern, lass den Kopf kreisen. Wut will fließen, nicht explodieren. Erlaube deinem Atem, das zu tun, was Worte manchmal nicht können.

3. Die Berührungsübung – Die Wut halten lernen

Manchmal fühlt sich Wut an, als würdest du gleich zerreißen. Dann leg beide Hände auf die Stellen, wo du sie am stärksten spürst: Brust, Bauch, Nacken, Unterleib – wo auch immer es zieht oder brennt. Halte dich. Nicht, um sie wegzumachen, sondern um ihr zu zeigen: „Ich bin da. Ich höre dich.“ Atme in deine Hände hinein. Manchmal verwandelt sich die Wut in Trauer, manchmal in Zittern oder Wärme – lass es kommen. Dein Körper erinnert sich an alte Grenzen, und du darfst sie jetzt selbst ziehen, mit Bewusstsein, mit Weichheit, mit Atem.