Es war einmal ein eifriger Gelehrter, der über viele Jahre hinweg zahlreiche Workshops und Seminare besuchte. Keine Stunde bei seinem Meister ließ er aus, gewissenhaft folgte er seinen Lehren.
Die Jahre vergingen, und immer wieder fragte er seinen Lehrer: „Bin ich nun bereit, mein Wissen mit der Welt zu teilen?“ Doch der Lehrer antwortete jedes Mal: „Hab Geduld.“
Also blieb der Gelehrte geduldig, diszipliniert und voller Ausdauer in den stillen Gemäuern des Klosters. Er vertiefte seine Studien, praktizierte täglich und lebte die Lehren, die ihm anvertraut worden waren.
Eines Tages schließlich rief der Lehrer ihn zu sich. „Nun ist die Zeit gekommen,“ sagte er, „geh hinaus und trage deine Botschaft in die Welt.“ Voller Freude und Dankbarkeit machte sich der Gelehrte auf den Weg.
Er hatte von einem sehr weisen Mann gehört, der hoch oben in den Bergen lebte. Neugierig darauf, wie sich dessen Weisheit mit seinen eigenen Lehren verbinden ließe, beschloss er, ihn aufzusuchen.
Sein Weg führte ihn über weite Wiesen, durch Flüsse und Wälder, bis er schließlich an einen See kam. Am Ufer lag ein Boot. Er stieg ein und ruderte über den See, während er in der Ferne schon Rauch aus einer Höhle aufsteigen sah – dort, wo der weise Mann lebte.
Voller Vorfreude legte er an, trat näher ans Feuer und hörte dem alten Mann zu, der Mantren rezitierte. Doch als er ihm lauschte, dachte er bei sich: „Oh nein! Jetzt weiß ich, warum ich hierher geschickt wurde! Jahrelang habe ich Mantren gelernt, studiert und geübt – und dieser Mann spricht sie völlig falsch aus. Zum Glück bin ich hier, um ihn auf den richtigen Weg zu bringen.“
Er trat vor den Weisen und erzählte ihm von seinen Studien, seinen Erkenntnissen und von der ‚richtigen‘ Aussprache der Mantren. Der alte Mann nickte dankbar und nahm die Hilfe gerne an.
Wochenlang blieb der Gelehrte bei ihm. Geduldig übte er mit dem Weisen die korrekte Aussprache, wieder und wieder. Schließlich war es Zeit, weiterzuziehen. Der alte Mann bedankte sich herzlich, setzte sich wieder an sein Feuer und der Gelehrte ruderte zufrieden zurück über den See.
Doch als er mitten auf dem Wasser war, spürte er plötzlich ein Klopfen auf seiner Schulter. Verwundert drehte er sich um – und sah den alten Mann, der neben seinem Boot auf dem Wasser stand. Freundlich fragte dieser: „Entschuldige, könntest du mir das Mantra noch einmal erklären? Ich habe schon wieder vergessen, wie man es richtig spricht.“
Die Moral dieser Geschichte:
Wir hören, lesen und lernen vieles. Uns wird viel Wissen vermittelt. Aber am Ende zählt nicht, wie ‚richtig‘ etwas klingt oder aussieht. Entscheidend ist die Intention, die aus dem Herzen kommt. Sie allein bewegt Menschen. Sie allein verändert Welten.
Und so erinnere ich mich auf meiner Sonnengrußreise zu mir selbst: Jede Bewegung, jeder Atemzug ist eine Einladung, meinem Herzen zu lauschen. Nicht perfekt sein zu wollen, sondern wahrhaftig. Nicht alles wissen zu müssen, sondern mich erinnern zu dürfen. Es ist die Herzensabsicht, die meinen Weg leuchtet – Schritt für Schritt, Gruß für Gruß, Tag für Tag.
„Die größte Weisheit liegt nicht im Kopf, sondern im Herzen.“