Wenn der Körper lauter wurde, als meine Gedanken es jemals konnten, habe ich begonnen, der Stille zu lauschen. Manchmal ist das lauteste Geräusch in unserem Leben kein Ton, sondern eine Botschaft des Nervensystems. Und erst in der Stille wird sie hörbar.

Es gab eine Zeit, in der ich dachte, Tinnitus sei ein Symptom. Ein Fehler. Etwas, das verschwinden müsste, damit ich endlich frei atmen kann. Heute weiß ich: Es war eine Einladung.

Eine Einladung meines Nervensystems, endlich zuzuhören. Nicht den Stimmen von außen. Nicht den Erwartungen anderer. Nicht den alten Geschichten, die schon längst nicht mehr zu mir gehören.

Sondern mir

Dem Teil in mir, der still geworden war, als er als Kind zu laut gefühlt hat. Dem Teil, der sich immer wieder in Beziehungen verloren hat, weil er Verlassenheit kannte, aber Stabilität erst lernen musste. Dem Teil, der jahrelang irgendwann beschlossen hat: „Bevor alles zusammenbricht, halte ich lieber alles zusammen.“ Und so hielt mein Körper fest, was mein Herz schon lange abgeben wollte.

Der Tinnitus war wie ein innerer Weckruf. Nicht, um mich zu stressen – sondern um mich zu mir zurückzuführen. Als ich begann, nicht mehr gegen ihn anzukämpfen, sondern mich ihm zuzuwenden, passierte etwas: Die Geräusche wurden leiser. Mein Atem wurde tiefer. Mein Herz wurde weicher. Meine Achtjährige fand Schutz in meinen Armen. Und ich hörte plötzlich etwas, das ich vorher überhört hatte:

Stille

Stille nicht als Leere, sondern als Botschaft. In der Stille hörte ich, was mein höheres Selbst seit Jahren versucht hat zu sagen: Dass ich sicher bin. Dass ich frei bin. Dass ich verbunden bin – mit mir selbst, mit meinem Körper, mit meinem Weg. Ich habe verstanden, dass Stille kein Stillstand ist. Sondern ein Heimkommen. Ein Neu-Ausrichten. Ein inneres Sortieren. Ein Aufatmen, das von innen nach außen strahlt.

Mein Nervensystem hat mir beigebracht: Es ist nicht das Außen, das mich verletzt hat. Es war das Kind in mir, das zu lange allein blieb. Es war die Frau in mir, die immer wieder Männer traf, die ihr altes Muster spiegelten. Es war die Sehnsucht nach Sicherheit, die sich Gehör verschaffte – manchmal sogar als Ton.

Heute weiß ich: Der Körper wird laut, wenn die Seele nach Stille ruft. Und in dieser Stille habe ich mich wiedergefunden.

Dein Nervensystem spricht immer mit dir.
Die Frage ist nur: Hörst du seine Stille?

 

Achtsamkeitsübung: Bhrāmarī – Das Summen der Biene

(für Tinnitus, Vagusnerv, innere Stille und Selbstregulation)

Setze dich aufrecht, aber weich hin. Spüre den Boden unter den Füßen. Atme einmal bewusst ein … und lang aus. Lass dein Gesicht weich werden, dein Kiefer entspannt, dein Herz weit.

1. Mudra: Die Welt kurz ausschalten 

Lege deine Zeigefinger sanft auf die Ohrknorpel und drücke sie leicht nach innen, sodass die äußeren Geräusche leiser werden. Die anderen Finger können entspannt über Stirn und Gesicht ruhen. Du schaffst dir eine Höhle – einen inneren Raum, in dem du dich selbst hörst.

2. Atmen & Summen 

Atme tief ein … und beim Ausatmen beginne sanft zu summen – ein warmes, weiches „mmmmmm“. Lass den Klang nicht laut sein, sondern tief. Innerlich. Wie ein Brummen im Brustraum,
als würde eine kleine Biene direkt in deinem Herzen sitzen.

Spüre:
• Wie der Klang deine Schädelknochen vibrieren lässt.
• Wie sich Druck löst.
• Wie dein Nervensystem sich sofort beruhigt.
• Wie dein Atem länger wird, ohne dass du dich anstrengst.
• Wie der Ton sich im ganzen Körper ausbreitet.

Wiederhole 5–10 Summ-Ausatmungen.

3. Der Moment danach – die heilende Stille 

Bevor du die Hände löst: Atme einmal tief ein, halte für 1–2 Sekunden, und lass dann alles aus dir herausfließen. Bleibe mit geschlossenen Ohren. Und lausche. Hier, in diesem Moment nach dem Summen, entsteht die tiefste Stille. Eine Stille, die nicht von außen kommt, sondern von innen. Das ist der Raum, in dem der Vagusnerv sich weitet, der Körper loslässt, und der Tinnitus oft spürbar nachlässt.

4. Abschluss 

Löse langsam die Hände. Atme zweimal weich ein und aus. Lege eine Hand auf dein Herz und eine auf deinen Bauch. Spüre die Weite, die Ruhe, die Klarheit in dir. Und sage innerlich: „Ich bin sicher. Ich bin verbunden. Ich höre mich.“

 Warum diese Übung wirkt
• Das Summen stimuliert direkt den Vagusnerv (über Kehle, Brustraum, Zwerchfell).
• Der Klang beruhigt das autonome Nervensystem innerhalb weniger Atemzüge.
• Die Vibrationen im Kopf können Tinnitus kurzfristig überlagern, langfristig entschärfen.
• Durch das Schließen der Ohren entsteht ein innerer Resonanzraum:
das Nervensystem schaltet auf Regeneration.

Diese Übung ist wie ein Reset-Knopf.

Eine Sofort-Umarmung für Körper, Herz und inneres Kind.